Donnerstag, 13. Mai 2010

Grausame Welt



Foto: flickr/flawka

Man sagt ja immer, die Natur sei grausam. Trotzdem geben viele Menschen, die Berlin nicht mögen wollen, als Grund an: "Da gibt es mir nicht genügend Natur".

Aber lassen wir diesen Widerspruch mal beiseite. Was für ein Quatsch, natürlich gibt es jede Menge Natur in Berlin. Manchmal mehr, als mir lieb ist. Daher habe ich diesen Blog eingerichtet. Ich muss diese vielen traumatischen Zusammenstöße von mir, einem zivilisierten Großstadtmenschen, mit der extremen Natur hier in Berlin ja irgendwie verarbeiten.

Auf dem Land gibt es vielleicht mehr Tiere. Aber die rennen dort immer weg, wenn sie einen Menschen hören oder womöglich gar riechen. In Berlin dagegen ignorieren sie uns so konsequent, als seien wir gar nicht da. Heute hat sich eine Meise, die ich aus der Hand füttern wollte, erst einmal gemütlich auf meinen Kopf gesetzt.

Das war ja noch nett. Entsetzlich dagegen die Szene, die mein Mann vor ein paar Tagen in Pankow beobachtet hat. Ein Mauersegler war auf dem Boden gelandet. An sich schon ein Todesurteil, denn diese Vögel landen nie. Wenn sie ins Bett gehen wollen, fliegen sie ganz hoch und lassen sich langsam hinuntertragen, während sie schlafen. Nur zur Brutzeit landen sie an Mauern oder Klippen, von denen sie sich dann wieder stürzen und in die Luft tragen lassen können.

Der gestrandete Mauersegler schrie erbärmlich, denn eine Elster hatte ihn entdeckt und hackte ihm kleine Stücke aus dem Leib. Amseln und Stare hüpften aufgeregt rufend herum, um die Elster zu vertreiben. Plötzlich kam eine große Nebelkrähe dazu, packte den verletzten Vogel und flog mit seiner kreischenden Beute davon.

Ein andermal fütterte ich Spatzen vorm S-Bahnhof Friedrichstraße, als ein kleiner Greifvogel hinabstürzte, einen Spatzen packte und in einen nahen Zierbaum flog. Als ich mich herangepirscht hatte, biss er gerade genüsslich in den quickenden Sperling.

Ansonsten gibt es hier Amseln, denen man beim Revierkampf zusehen kann, Reiher im Ententeich im Park, Eichelhäher, die kommen, wenn man sie ruft, Waschbären, die sich unter parkenden Autos verstecken und Füchse, die auf dem Friedhof leben. Das einzige Tier, das ich noch nie zu Gesicht bekommen habe, ist die Nachtigall. Die Schweine verschmelzen einfach mit ihrer Umgebung, man kann direkt unter ihnen stehen und sieht sie doch nicht.

Insofern wohnen wir da, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Oder zumindest Fuchs und Kaninchen. Das Schlimme ist nur: Die sagen sich nicht "gute Nacht". Vielleicht kann das Kaninchen gerade noch schnell "guten Appetit" sagen, bevor es vom Fuchs gefressen wird.

Ja, die Natur ist eben grausam. Nicht einmal in Berlin kann man ihr entfliehen.

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